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Neuer Kriminalitätsbericht 2014:
Polizei in Sorge: Zahl der Einbrüche steigt drastisch an
VON ULRIKE GLAGE
REUTLINGEN. Die Zahl der Wohnungseinbrüche steigt drastisch an. Zwar geht die Kurve im Kreis Reutlingen derzeit nicht ganz so steil nach
oben wie im vergangenen Jahr. Dennoch macht die Entwicklung der Polizei Sorge, zumal die Aufklärungsquote bescheiden ist. Sie reagiert mit
einer zentralen Ermittlungsgruppe. Doch auch jeder Einzelne kann etwas tun, um sich vor Einbrechern zu schützen. Den Tätern wird es immer
noch viel zu leicht gemacht.
Einbrechen leicht gemacht: Ein Standardfenster lässt sich mit einem Schraubenzieher innerhalb kürzester Zeit fast geräuschlos knacken.
Technische Sicherungsvorrichtungen können das verhindern. FOTO: TRINKHAUS
Seit vier Jahren schnellt die Zahl der Wohnungseinbrüche im Landkreis nach oben. 225 Fälle registrierte die Polizei 2013, und damit war ein Zehn-
Jahres-Höchststand erreicht. Aktuell sieht’s freilich eher nach einem – durchaus erfreulichen – Tief aus. »Jetzt sind wir erst bei 71 Fällen, das ist
krass«, sagt Reinhard Nething, Chef der Kriminalpolizeidirektion des Reutlinger Polizeipräsidiums. Noch krasser: Auf den Fildern ist bei den
Einbrüchen jetzt schon das Level vom vergangenen Jahr erreicht. Nething spricht von unberechenbaren Auf-und-ab-Bewegungen.
Schon deshalb will er mit Blick auf die Reutlinger Zahlen keine Entwarnung geben. »Wir kommen jetzt nicht auf die Idee, dass es eine
Entspannung gibt, das kann am Ende des Jahres schon ganz anders aussehen.«
Warum derzeit ausgerechnet in Reutlingen Flaute herrscht beim Wohnungseinbruch, auf den Fildern aber ein regelrechter Boom ausgebrochen
ist, das, so der Direktionsleiter, »ist schwer erklärbar«. Die Polizei könne nicht ausschließen, dass es »strategische Planer« im Hintergrund gibt.
Oder sich Täter von dort, wo die Polizei wegen einer Häufung von Einbrüchen verstärkt Präsenz zeigt, prompt verziehen. »Ich behaupte, es gibt
einen Verdrängungseffekt«, sagt er zum Gefälle zwischen Reutlingen und den Fildern. Und prognostiziert, dass das »Kriminalphänomen«
Wohnungseinbrüche zum Dauerthema wird.
Eines, das für die Polizei schwer zu fassen ist. Die Aufklärungsquote bei Einbrüchen dümpelt bei bescheidenen zehn Prozent, entsprechend
gering ist das Wissen über die Täter. »Das ist eine diffuse Mischung«, sagt Nething. Da gibt es den Junkie, der sich den nächsten Schuss
finanzieren muss und, so Nething, aufgrund seiner Abhängigkeit meist mit erhöhter Risikobereitschaft auf Beutezug ist. Oder den
Gelegenheitsdieb, der gezielt den Tresor klaut, weil er genau weiß, dass der bestens gefüllt ist. Auch den »klassischen Berufseinbrecher« – und
die Banden osteuropäischer Herkunft. »Es fehlt uns eine seriöse Aussage, wie viel Prozent wir da oder da haben«, räumt der Kripo-Chef ein.
»Wenn wir sie nicht auf frischer Tat erwischen, wird’s schwierig«
Das gilt auch für den Anteil, den Diebesbanden, meist südosteuropäischer Herkunft, bei den Einbrüchen ausmachen. Fakt ist, dass sie seit einigen
Jahren verstärkt in unseren Gefilden unterwegs sind. Die erleichterte Einreise, aber auch das Wohlstandsgefälle spielt eine Rolle. Viele der
aufgeklärten Fälle seien an dieser Tätergruppe festzumachen, sagt Nething. Und beschreibt die Vorgehensweise, bei der vor allem Schnelligkeit
und Arbeitsteilung – vom Organisator über die Ausführenden bis zum Logistiker – zählen. »Die kommen, haben einen Ansprechpartner vor Ort,
brechen ein und sind wieder weg.« Die Heimreise treten die Missetäter verständlicherweise nicht mit ihrem Diebesgut auf dem Schoß an. Das wird
zügig einem Kurier übergeben, der es dann nicht minder zügig »vertickt«, so Nething.
Dem Kombi mit fünf mutmaßlichen Einbrechern könne die Polizei mangels Beweisen dann nur noch eine gute Reise wünschen. »Wenn wir sie
nicht auf frischer Tat erwischen oder mit dem Diebesgut, dann wird’s schwierig.« Die Chancen steigen allerdings, wenn die Spurensicherung am
Tatort fündig wird. Was ihr vor allem dann gelingt, wenn dieser unberührt bleibt. Deshalb sollten ihn die Opfer des Einbruchs möglichst nicht
betreten, so der Rat von Nething – auch, wenn das schwerfällt.
Trotz der schwierigen Ausgangslage ist Reinhard Nething optimistisch, dass sich die Aufklärungsquote verbessern lässt. Denn er setzt auf die
neue Ermittlungsgruppe, die eigentlich aus zwei »alten« besteht: Spezialistenteams, die vor der Strukturreform in den Polizeidirektionen
Reutlingen und Esslingen Dienst taten. Ab 1. August werden sie als eine Einheit in die Vollen gehen – verstärkt von 12 auf 18 Kräfte, unter einer
Führung und verteilt auf die Standorte Tübingen und Nürtingen. Im neuen Team sitzen Beamte der Schutz- und Kriminalpolizei, die, so Nething,
allesamt bestens vertraut mit der Materie sind. Mit im Boot sind die Kriminaltechnikeinheiten.
»Einbruchserien kriegen wir über die zentrale Struktur schneller mit«
Geballtes Know-how also und Polizeibeamte, die von anderen Aufgaben befreit sind, sich nicht nebenher noch um den Raubüberfall oder die
Schlägerei kümmern müssen. Bei 18 Leuten habe man nicht nur Gestaltungsspielraum, sagt Nething, »wir können die Kräfte auch schnell
bündeln«. Ein weiterer Vorteil: »Gerade Einbruchserien kriegen wir über die zentrale Struktur schneller mit.« Sollte sich dabei akut ein Brennpunkt
abzeichnen, könnten Kräfte aus dem ganzen Bereich des Polizeipräsidiums Reutlingen angefordert werden. »Dann klotzen wir richtig ran«, sagt
Reinhard Nething. Eine Zusatzbeweglichkeit, die die neue Organisationsstruktur der Polizei ermögliche – und die dringend gebraucht wird. (GEA)